Sprache der Mutter

Februar 2010

Liebe Herta Müller!

Gerade habe ich Ihren Text „In jeder Sprache sitzen andere Augen“ gelesen, den Anfang beim Warten auf das Flugzeug, und den Rest auf dem Flug nach Athen.
Der Text ist eine genaue Beschreibung der Sprache und der Sprachen, wie sie nicht klarer sein kann. Der Blick auf die Dinge durch die Sprache hindurch, und der Blick auf die selben (?) Dinge durch eine andere Sprache. Das Vertraute der Muttersprache.

Es ist die Sprache der Mutter, es ist nicht die Sprache des Vaters, es ist nicht die Vatersprache. Die Mutter redet zu dem Kind, vielleicht schon zu dem Ungeborenen. So hat es meine Frau mit unserem Kind getan und als es zur Welt kam, hat es ihre Stimme erkannt und den Kopf zu ihr gewendet und das Weinen, das erste Weinen, hörte auf.

Ich weiß das, weil ich dabei gewesen bin und weil ich eine andere Sprache spreche. So ist Griechisch für unsere Tochter die Sprache der Mutter, Deutsch ist die Vatersprache. Darin liegt ein Unterschied, den ich nicht benennen kann, der aber sicher vorhanden ist, spürbar, im Inneren, dort wo gesprochen wird.

Sprache ist Heimat, vielleicht können wir sagen, Sprache ist die Mutter, das Umhüllende, die Sicherheit einer Stimme.

E.S.

Herta Müller, erhielt 2009 den Literaturnobelpreis. Der Text „In jeder Sprache sitzen andere Augen“ ist enthalten in: Der König verneigt sich und tötet. Frankfurt/M. 2009. Wir kennen uns nicht persönlich.

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